„Fasziniert vom Teamaspekt“: Georg Klein über über Laufbahn, Lektionen und Herausforderungen

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Der 28-jährige Mittelblocker Georg Klein verabschiedet sich vom Profisport und legt den Volleyball zugunsten seiner beruflichen Ausbildung in die Ecke. Stolz kann er auf 14 Einsätze in der Nationalmannschaft, zwei Deutsche Meistertitel, zwei DVV-Pokalsiege, sowie dem zweimaligen Gewinn des Supercups zurückblicken. Wir lassen mit ihm zusammen seine zehnjährige Profikarriere Revue passieren.


Der Zusammenhalt im Team hat Georg von Anfang an beim Volleyball fasziniert. (Foto: Eckhard Herfet)

Georg, seit der Bekanntgabe deines Rücktrittes sind jetzt schon ein paar Tage vergangen. Wie fühlst du dich?

Georg Klein: „Zurzeit fühlt sich alles noch recht normal an. Ich glaube, es wird sich komisch anfühlen, wenn sich alle wieder auf die Saison vorbereiten, die Spiele beginnen und ich dann nicht mehr dabei bin.“

Blicken wir etwas zurück in die Vergangenheit. Du hast sportlich als Schwimmer in Leipzig begonnen, bevor du deine Liebe zum Volleyball entdeckt hast. Was hat den Ausschlag für den Wechsel gegeben?

Georg: „Mein erster Trainer Mario Balden meinte, ich soll mir das mit dem Volleyball mal anschauen. Ich war unterbewusst gleich fasziniert von dem Teamaspekt. Der Zusammenhalt untereinander und das gemeinsame Kämpfen für ein Ziel hat es mir angetan und schlussendlich dafür gesorgt, dass ich beim Volleyball geblieben bin. Schwimmen als Indivudualsportart ist da ja das komplette Gegenteil.“

Welche Ratschläge würdest du einem Athleten geben, der gerade mit dem Volleyball spielen angefangen hat?

Georg: „Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass es nicht nur auf Talent und körperliche Voraussetzungen ankommt. Volleyball ist eine sehr technische Sportart, mit vielen Wiederholungen. Spieler, die sehr fleißig waren und mehr gearbeitet haben als andere, sind am Ende besser geworden. Man sollte sich nicht entmutigen lassen, falls ein Trainer das Potential nicht gleich erkennt. Beim Volleyball hat man es sprichwörtlich selbst in der Hand: Übung macht hier den Meister.“

Leistungssport bringt viele Entbehrungen mit sich. Ist es dir schwer gefallen in der Jugend auf einiges zu verzichten, was für Gleichaltrige normal war?

Georg: „Mir ist das damals nicht schwergefallen, weil alle meine Freunde auch im selben Internat waren. Wir haben alle gemeinsam beim VCO Berlin trainiert und sind zusammen zur Schule gegangen, somit war es für uns normal.“

Wenn du deine Karriere noch einmal durchleben könntest, was würdest du anders machen?

Georg: „Rein sportlich gesehen gar nichts. Ich bin sehr zufrieden, wie meine Karriere verlaufen ist. Beruflich hätte ich wahrscheinlich damals in Düren schon mit der Polizeiausbildung beginnen sollen, weil es in NRW eine Sportfördergruppe gab. Da wäre die Vereinbarkeit von Leistungssport und beruflicher Ausbildung gegeben, was letztendlich ein Grund für mein Rücktritt war. Das ist aber das einzige Manko, was ich mir persönlich vorwerfen kann.“

Nach welchen Kriterien hast du dir deine Arbeitgeber ausgesucht? Nimm uns mit durch deine Karriere. Welche haben zu welcher Station geführt?

Georg: „Düren war für mich damals, der mit Abstand beste Club, von dem ich ein Angebot hatte. Generell kann ich jedem jungen Spieler Düren als erste Adresse nur ans Herz legen. Dort bekommt man seine Spielzeit - auch als junger Spieler. Danach wollte ich unbedingt ins Ausland. Zuerst bekam ich keine passenden Angebote, aber mit Antwerpen hat es dann doch noch geklappt. Zurück nach Deutschland ging es dann zum VfB Friedrichshafen. Zwei Telefonate mit dem damaligen Trainer Vital Heynen und die Sache war klar. Bei Berlin hatte ich gelesen, dass Felix Fischer aufgehört hat. Daraufhin habe ich sofort meinen Manager angerufen und ihm gesagt, dass ich dort unbedingt hin möchte.“


Düren war für Georg die erste wichtige Station seiner Profilaufbahn.

Für wie wichtig hältst du eine Auslandsstation für einen Profisportler?

Georg: „Rein sportlich hat mir mein Jahr in Antwerpen gar nichts gebracht. So wie die Volleyball Bundesliga momentan besetzt ist, muss man nicht wirklich ins Ausland gehen. Wenn man die Chance hat, zu einem der fünf Top-Clubs in Deutschland zu gehen, würde ich einem Spieler lieber das empfehlen. Klar ist eine Auslandsstation persönlich immer eine sehr prägende Zeit. Meine Zeit in Belgien war diesbezüglich klasse - das lag aber vor allem am Team. Wir haben uns alle sehr gut verstanden, dann macht das auch Spaß. Die unterschiedlichen Facetten - von Kleinstadtidylle bis Weltmetropole -, die wiederum große Unterschiede im Lebensstil und Mentalität der Menschen hervorrufen, gibt es auch hier in Deutschland.“

Während deiner sportlichen Laufbahn hast du viele Menschen getroffen. Welche Beziehung war für dich die Wichtigste?

Georg: „In meinem ersten Jahr in Düren habe ich mit Nicolai Kracht zusammengespielt. Leider haben sich unsere Wege dann getrennt, doch nach einigen Jahren haben wir uns wiedergefunden. Jetzt sind wir hier in Berlin fast Nachbarn und verbringen viel Zeit miteinander.“

Welche Trainerphilosophie hat dich am meisten geprägt und warum?

Georg: „Auf jeden Fall der Perfektionismus von Vital Heynen. Die extreme und rigorose Umsetzung seiner Philosophie war schon einzigartig. Die Vermeidung von Fehlern, auf die Fehler des Gegners warten und dabei clever spielen, hat mich sehr geprägt. Persönlich habe ich mich durch Cédric Énard weiterentwickelt. Er hat mir Aufgaben übergeben, durch die ich meine Führungsqualitäten ausbauen und verbessern konnte. Beide Trainer haben das Beste aus mir gemacht.“

 
Vital Heynen´s Philosophie prägte Georg nachhaltig. (Foto: Sebastian Wells)

Aber man sollte auch seinen eigenen Stil als Spieler entwickeln, oder?

Georg: „Absolut, danach stellen die Trainer ihr Team zusammen. Natürlich muss man sich aber etwas an den jeweiligen Club anpassen. Jeder Club hat seine eigene Teamtaktik, die vom Trainer festgelegt wird und unglaublich wichtig ist. Trotzdem sollte diese Teamtaktik den eigenen Stil nicht zu sehr verändern, da der Trainer den Spieler danach ausgesucht hat.“

Welche drei großen Lektionen hast du in deiner sportlichen Laufbahn gelernt, die du in deinem neuen Lebensabschnitt auch anwenden kannst?

Georg: „Teamfähigkeit, der Glaube an sich selbst und dass man sich niemals zu sicher sein darf.“

Gibt es eine Herausforderung, der du dich gern einmal gestellt hättest, die aber nie eingetreten ist?

Georg: „Ich hätte als Spieler gern international mehr erreicht. Die Teilnahme an einer EM, WM oder gar bei Olympia ist der Traum eines jeden Sportlers. Leider hat es sportlich bei mir nicht gereicht. Das habe ich schnell für mich akzeptiert und das Positive für mich gesehen. Ich hatte im Gegensatz zu anderen Spielern die Möglichkeit und Zeit, mich in den Sommermonaten auszuruhen und die Saisonvorbereitung fit anzutreten.“

Es gab Zeiten, in denen du aufgrund von Verletzungen nicht einsatzfähig warst. Wie hast du dich immer wieder selbst motiviert?

Georg: „Meine Verletzungen waren für mich immer sehr bitter, da ich lange überhaupt nicht trainieren und somit dem Team nicht helfen konnte. Es hilft in dieser Phase nur, sehr konzentriert und hart in der Reha zu arbeiten. Je intensiver und härter man dort arbeitet, umso schneller ist man wieder auf dem Volleyballfeld zurück.“

Du absolvierst ein Duales Studium bei der Polizei, dass sich nicht optimal mit dem Profidasein im Volleyball vereinen ließ und ein Grund für deinen Rücktritt ist. Kannst du uns das erläutern?

Georg: „Die Ausbildung für den gehobenen Dienst ist ein Bachelorstudium. Der theoretische Teil, der an der Universität gelehrt wird, liegt nicht im Einflussbereich der Polizei. Pro Semester geht man vier Monate in die Universität und absolviert zwei Monate seiner Ausbildung direkt bei der Polizei. Die Universität hat ihre festen Stundenpläne, es herrscht Anwesenheitspflicht - und hier liegt das Problem. Im Wintersemester konnte ich nur montags in der Uni sein, weil das der einzige Tag der Woche war, wo ich wirklich immer in Berlin war. An den anderen Tagen in der Woche war es durch Training, Spiele und die dazugehörigen Reisen nicht möglich, Module zu belegen. So kommt man mit dem Studium einfach nicht voran, wenn man nur ein bis zwei Module pro Wintersemester schafft. Die Polizei hat das Studium auf fünf Jahre begrenzt. Es besteht zwar die Option, das Studium um ein Jahr zu verlängern, aber nur wenn ich dann durch keine einzige Prüfung falle. Leider gibt es hier in Berlin aus finanziellen Gründen kein Sportförderprogramm, in dem die Ausbildung flexibler ist.“

Wie lange hat der Entscheidungsprozess für dein Rücktritt gedauert?

Georg: „Die ersten Überlegungen hatte ich bereits in der letzten Saison. Da merkte ich, dass es mit dem Studium nicht so lief, wie ich mir das vorgestellt hatte. Zusätzlich ist mein Vertrag bei den Volleys ausgelaufen. Mit Kaweh Niroomand entschied ich mich dann aber relativ schnell, noch eine Saison dranzuhängen. Im November merkte ich, dass es sehr gut bei uns lief und war mir sicher, dass wir eine tolle Saison spielen würden - mit der Chance alle drei Titel zu gewinnen. Da ist für mich endgültig die Entscheidung gefallen:Ich wollte mein Karriereende mit dem Triple krönen. Das nun am Ende die Meisterschaft nicht mehr dabei ist, ist für mich immer noch unverständlich. Wir befürworten hier alle den Abbruch, da es keine andere Möglichkeit gab. Aber keinen Meister zu ehren, ist für mich, den Verein und alle Fans bitter.“


Der Gewinn des DVV-Pokals 2020 mit seinen BR Volleys, der letzte Titel in seiner Karriere. (Foto: Sebastian Wells)

War es keine Option noch eine Saison dranzuhängen?

Georg: „Nein. Ich hatte das für mich entscheiden. Die Planung bei der Polizei stand ebenfalls seit Monaten: Das ist meine letzte Saison. Diese Entscheidung konnte ich nicht mehr verändern.“

Das sportliche Triple ist dir verwehrt geblieben. Auf welchen Titel bist du besonders stolz?

Georg: „Ich kann mich an jeden Titel sehr gut erinnern und bin mächtig stolz. Der dritte Platz mit Düren als Underdog war ein Riesenerfolg. Der erste Supercupgewinn mit Friedrichshafen in Berlin war der erste richtige Goldtitel für mich. Die Erfolge mit Berlin diese Saison werden lange Zeit bei mir im Gedächtnis bleiben.“


Der Gewinn des Supercups mit dem VfB Friedrichshafen bleibt in besonderer Erinnerung. (Foto: Sebastian Wells)

Was glaubst du ist notwendig, um den Volleyballsport in Deutschland noch bekannter zu machen?

Georg: „Ich glaube wir sind da auf einem recht guten Weg. Der Vertrag mit Sport1 ermöglicht es, dass Volleyball im Free-TV gezeigt wird. Wir müssen aber dahin kommen, dass wir eine hundertprozentige Ausstrahlungszeit bekommen und bei Spielen nicht einfach von anderen Sportarten abgewürgt werden. Das ist meiner Meinung nach der Weg, um Volleyball bekannter zu machen. Es muss mehr im Free-TV laufen, weil dann mehr Menschen erkennen können, was das für eine geile Sportart ist.“

Du hast zehn Jahre Volleyball-Bundesliga erlebt: Wie hat sie sich aus deiner Sicht entwickelt?

Georg: „Absolut positiv und darauf bin ich stolz. Es ist deutlich professioneller geworden. Mit den Alpenvolleys und Frankfurt sind Teams in der Bundesliga, die für mächtig Konkurrenz sorgen. Auf der anderen Seite haben sich Düren und Lüneburg in den letzten Jahren ordentlich verstärkt. Wir sind von einer Topspitze mit nur Friedrichhafen und Berlin weggekommen und haben eine deutlich größere Konkurrenz aufgebaut.“

Was würdest du ändern, wenn du uneingeschränkte Ressourcen zur Verfügung hättest?

Georg: „Gerade auch im Hinblick auf die Nationalmannschaft würde ich eine Ausländerregel einführen. Die würde die Liga im Gegenzug zwar für ein paar Jahre schwächer machen,aber es ist ein wichtiger Punkt, um die Jugendarbeit weiter zu fördern. Wir müssen dahin kommen, dass die Bundesligisten alle eigene Jugendspieler ausbilden, um für ausreichend Nachwuchs zu sorgen. Gleichzeitig stellt man so auch sicher, dass man diese Talente nicht an andere Sportarten wie Basketball, Handball oder Fußball verliert. Es gibt schon viele Konzepte, durch die Kinder an den Volleyballsport herangeführt werden, aber das reicht noch nicht.“

Wie forderst du dich in deiner Freizeit nun körperlich heraus?

Georg: „Ich habe richtig Bock mich im Boxen oder Kickboxen auszuprobieren. Das wird mir sicherlich auch beruflich weiterhelfen.“

Wird man dich in irgendeiner Form trotzdem noch bei den BR Volleys sehen?

Georg: „Zu den Spielen in unseren Volleyballtempel komme ich auf jeden Fall, ist ja quasi bei mir direkt um die Ecke. Wir sind aber auch in der Planung, dass ich andere Aufgaben im Verein übernehme. Erste Gespräche haben bereits stattgefunden, aber etwas Konkretes kann ich noch nicht sagen, da dies aufgrund von Corona natürlich erst einmal in den Hintergrund gerückt ist.“


Sein offizielles Abschiedsspiel wird Georg trotz Coronakrise am 01. April bekommen, jedoch nur virtuell. (Foto: Conny Kurth)

Abschiedsspiel trotz Corona

Das Kommunikationsteam der BR Volleys war wieder einmal sehr kreativ, schließlich soll Georg einen gebührenden Abschied bekommen. Ein schwieriges Unterfangen, wenn Sporthallen geschlossen sind, die Menschen nur für das Nötigste raus dürfen und enger Körperkontakt vermieden werden soll. Daher eine besondere Austragungsform:

In einem virtuellen Abschiedsspiel laufen am 01. April zwei von Georg zusammengestellte Teams auf. Anpfiff für das fiktive Spiel ist um 18:30 Uhr. Tassilo Bade und Peter Große werden die Ereignisse auf dem Spielfeld kommentieren. Sporttotal.tv wird wie gewohnt das Match im Audioformat live streamen. Alle Fans sind herzlich eingeladen sich Tickets für dieses "Allstar-Game" zu sichern und so den Club in der angespannten Lage zu unterstützen. Alle weiteren Infos sind auf der BR Volleys Website und deren Social Media Kanäle nachzulesen.

veröffentlicht am Dienstag, 31. März 2020 um 12:58; erstellt von Glöde, Yvonne
letzte Änderung: 28.03.20 07:41