„Wir begeistern uns immer wieder gegenseitig.“ − Leidenschaft, die durch die Krise trägt

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Mit Corona veränderte sich die Sportwelt, wie wir sie bis dahin kannten, dramatisch. Keine Fans mehr in den Hallen, Test- und Hygienekonzepte bestimmten unseren Alltag und die Sorge, wie es weitergehen würde. Für unsere Zweitligisten war vor allem ihre Leidenschaft zum Volleyball und ihre Arbeit mit den Teams der Antrieb, um die größten Herausforderungen und Widerstände gemeinsam zu bewältigen und sich um Normalität zu bemühen.

Corona gibt Digitalisierungsschub: Karlsruhe brachte schnell Livestream an den Start | Foto: Andreas Arndt 

Alexander Burchartz (Teammanager der BADEN VOLLEYS SSC Karlsruhe) und Klaus Utke (Teammanager des TuS Mondorf) versetzen sich noch einmal zurück in den Februar 2020, nehmen uns mit durch die Höhen und Tiefen der letzten Saison und erzählen, was sie persönlich motiviert hat, weiter zu machen.


Alexander: „Unser drittes Jahr in der 2. Bundesliga (2019/20) lief richtig gut. Wir sind planmäßig zu Saisonbeginn mit unserer eigenen Marke BADEN VOLLEYS gestartet und der sportliche Erfolg übertraf alle Erwartungen: Teilnahme im Achtelfinale des DVV-Pokals und der Herbstmeistertitel! Besser hätte es nicht laufen können.“

Klaus: „Als frischer Aufsteiger waren wir grade noch dabei, uns auf dem neuen sportlichen und organisatorischen Niveau zurechtzufinden. Wir wussten, dass es eine harte Saison wird, sind aber an den ersten Spieltagen getragen von unseren Fans regelrecht auf einer Euphoriewelle geritten und haben Sieg um Sieg eingefahren. Im Herbst holte uns dann mit sieben Niederlagen am Stück die sportliche Realität ein.“

„Am 12. März 2020 hat uns mit dem Saisonabbruch alle noch eine ganz andere Realität eingeholt.“ [Datum des historischen Bundesliga-Abbruchs, Anm. der Redaktion]

„Oh ja, wir standen zu dem Zeitpunkt auf Platz 11 und wollten uns unbedingt sportlich den Klassenerhalt erkämpfen. Es fühlte sich unvollständig an und es war irgendwie schade, als uns die Nachricht vom Abbruch erreichte.“

„Absolut verständlich. An uns nagt es emotional noch bis heute ein bisschen, dass wir die Meisterschaft nicht ausspielen konnten. Das Topspiel in Mimmenhausen stand noch aus, der Bus für die Fanfahrt war sogar schon gebucht. Aber trotzdem: Der Abbruch war die richtige Entscheidung!“

„Auf jeden Fall. Es gab noch keine Hygienekonzepte, Testungen oder andere Hilfsmittel. Ein Weiterspielen wäre einfach nicht möglich gewesen. Und auch die Unsicherheit war groß. Ganz persönlich habe ich mir wirklich Sorgen gemacht, als man von den Todesfällen in Italien hörte.“

„Unsere Jungs wollten sogar gerne weiter trainieren, aber wir haben erstmal alle nach Hause geschickt. Das war eine harte Zeit für viele. Nach kurzer Zeit haben wir angefangen, mehrere digitale Meetings für gemeinsames Krafttraining oder auch Kabinengeplauder anzusetzen. Unsere Spieler wohnen in kleinen Wohnungen oder Zimmern. Ohne Volleyball, Training und Uni war da einfach auch das Bedürfnis nach Gemeinschaft da.“

„Auf einmal war alles anders. Und gleichzeitig musste es ja auch mit Blick auf die neue Saison irgendwie weitergehen. Bis dato hatten wir jedes Jahr einen kleinen Schritt nach vorne gemacht: wirtschaftlich, strukturell und organisatorisch. Auf einmal war ich mir unsicher, ob wir für die Saison 2020/21 überhaupt noch einmal einen Lizenzantrag stellen können. Erst im Mai hatten wir die Zusagen der wichtigsten Sponsoren zusammen. Da war ich zuversichtlich, dass auch die restlichen Lücken im Etat irgendwie gefüllt werden könnten.“

„Das war wirklich keine leichte Entscheidung. Alle Unternehmen haben sofort ihr Marketingbudget eingefroren. Neue Sponsoren zu finden, war unmöglich. Wir sind froh, dass zumindest die meisten unserer bestehenden Partner im alten Umfang dabeibleiben konnten. In der Planung haben wir mit ganz unterschiedlichen Szenarien kalkuliert. Im Normalfall decken wir z. B. ca. 20% des Etats durch Zuschauereinnahmen ab, auf die konnten wir uns nicht mehr verlassen.“

„Im Gegenteil. Mit der zweiten Welle im Oktober kamen die deutschlandweiten Geisterspiele. Wie habt ihr in Karlsruhe die Nachricht aufgefasst?“

„Wir sind sofort im Streaming eingestiegen. Wir wollten und mussten für die Region und unsere Sponsoren sichtbar bleiben. Eine erste Ausrüstung hatten wir noch von früher, aber wir haben schnell mit Equipment für die Kommentatoren und zusätzlichen Grafiken aufgestockt.
Ihr habt nicht von Anfang an gestreamt, Klaus?“

„Uns haben zunächst die Kosten und der Aufwand abgeschreckt. Aber zwei unserer ehemaligen Spieler sind uns mit ihrem beruflichen Know-how zur Seite gesprungen und haben andere begeistert und mitgezogen. Über eine Kommunikationsagentur und einen Elektronik-Handel wurde uns Equipment zur Verfügung gestellt, sodass wir mittlerweile fünf Kameras und eine ganze Streaming-Crew haben.“

Für die Fans der TuS engagiert sich die Streaming-Crew. | Foto: TuS Mondorf

„Wow. Das kommt sicher gut an. Wir dachten früher, die Zuschauer bleiben uns aus, wenn es einen attraktiven Live-Stream gibt, aber da machen wir uns jetzt keine Sorgen mehr. Nach den ersten Streamingzahlen war klar, dass diese Zuschauer gar nicht alle in unsere Halle passen. Die Sponsoren waren begeistert und auch sonst bekommen wir viel positives Feedback.“

„Uns erreicht auch regelmäßig viel Lob, aber gleichzeitig kommen auch Fragen und Anregungen teilweise schon während des Spiels über unsere sozialen Medien. Die Sponsoren bekommen zusätzlich zum Stream kurze Videosequenzen ihrer Werbeschaltungen, das kommt sehr gut an. Es ist schön zu sehen, dass es so positiv aufgenommen wird.“

„Es entsteht eine richtige mediale Volleyball-Community, die wir auch in Zukunft weiter mit Highlight-Videos und anderen Formaten bedienen wollen.“

„Das stimmt, Corona hat nicht nur Nachteile. Uns hat es einen richtigen Schub gegeben. Ohne die Krise hätten wir zu 99% keinen Live-Stream produziert. Jetzt haben wir ein neues Medium erschlossen. Aber ich habe auf der Reise dahin auch eine Menge Nerven verloren.“

„Hygienekonzepte, Testungen, Ausgangsbeschränkungen, Spielverlegungen und Veränderungen der Reisepläne. So viele und kurzfristige Herausforderungen gab es wirklich noch nie. Ich bin dankbar, dass wir im Team ohne Corona-Fälle durch die Saison gekommen sind und rückblickend bin ich froh, dass wir in den letzten Jahren das Team ums Team aufgestockt haben, die Digitalisierung vorangetrieben und andere Entwicklungsschritte in Angriff genommen haben. So hat uns die Pandemie nicht völlig unvorbereitet getroffen.“  

„Ich persönlich bin auch sehr froh, dass wir so ein gutes Team in Mondorf und in der Kooperation mit Bonn haben. [SSF Fortuna Bonn, 2. Bundesliga Frauen, Anm. der Redaktion] Als ehemaliger Volleyballer möchte ich etwas zurückgeben und die jetzigen Spieler unterstützen, dabei werde ich motiviert von der guten Arbeit der anderen, wie zum Beispiel unserer Streaming-Crew. Hätten wir nicht so ein gutes Team, wäre es im letzten Jahr noch viel schwieriger gewesen. Wir begeistern uns immer wieder gegenseitig.“

„Das Rad am Laufen zu halten, war nicht einfach, aber es war keine Option von der Bildfläche zu verschwinden, in den Medien, in der Region oder den Sponsoren gegenüber. Das wird auch das Credo für die kommende Saison bleiben. Wir sind noch nicht am Ende der Pandemie, aber wir haben die erste Hürde gemeistert und wollen auch die nächsten nehmen.“

„Wir haben es als Privileg empfunden, weiter spielen zu dürfen. Ausruhen dürfen wir uns jetzt trotzdem nicht, Stillstand ist Rückschritt. Aber auch ich hoffe darauf, dass wir uns im kommenden Jahr auch wieder anderen Entwicklungsthemen widmen können.“

veröffentlicht am Mittwoch, 16. Juni 2021 um 11:59; erstellt von Kuhnt, Franziskus
letzte Änderung: 16.06.21 12:15