"Ohne Klubs, keine Liga": VBL-Chef Evers über die Auswirkungen der Corona-Krise

VBL | Pressemitteilungen

VBL-Präsident Michael Evers spricht im Interview über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Volleyball Bundesliga (VBL) und ihre Vereine, erläutert bereits ergiffene und mögliche weitere interne Maßnahmen und zeigt auf, welche Entscheidungen durch die Partner in Sport und Politik notwendig sind, um den Profivolleyball in Deutschland weiter auf höchstem Niveau ausüben zu können.


VBL-Präsident Michael Evers (Foto: VBL)

Herr Evers, am 12. März hat sich die Volleyball Bundesliga als eine der ersten Ligen dazu entschlossen, den Spielbetrieb abzubrechen und die Saison zu beenden. Wir bewerten Sie die Lage heute?

Michael Evers: In den vergangenen vier Wochen hat sich gezeigt, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben, uns gegen eine vorübergehende Aussetzung des Spielbetriebs auszusprechen. Die Volleyball Bundesliga ist dadurch schnell handlungsfähig geworden. Es muss nicht mehr von Woche zu Woche ausgeharrt werden, vielmehr können sich Liga und Klubs voll fokussiert mit dem Krisenmanagement beschäftigen.

Welche Maßnahmen wurden konkret ergriffen? Welche Rolle spielt die VBL dabei?

Evers: Zusammen mit unserer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft OFM konnten die Kolleginnen und Kollegen aus dem VBL-Center den Klubs sehr schnell einen Überblick zu den staatlichen Soforthilfeprogrammen an die Hand geben. Diese reichen von der Beantragung zu Kurzarbeit über Steuerstundungen bis hin zu Zuschussprogrammen. Zudem bringt die VBL alle Klubs regelmäßig in Videokonferenzen zusammen, um sie dort über Hilfsmöglichkeiten zu informieren, aber auch, um schnell auf die aktuellen Bedürfnisse der Vereine eingehen zu können. In diesem Kreis ist eine große Solidarität unter den Klubs zu spüren, die sich auch gegenseitig unterstützen.

Wie bedrohlich ist die Lage für die Vereine?

Evers: Die Coronakrise ist für den gesamten Sport existenzgefährdend. Die organisatorischen und wirtschaftlichen Herausforderungen sind groß. Den Klubs fehlen Erlöse aus Ticketing, Sponsoring und Medienrechten. Wir standen kurz vor den Playoffs, in denen besonders viele Umsätze generiert werden, hier boomen die Zuschauerzahlen. Diese Erlöse dienen wesentlich dazu, den Rest der Saison und die spielfreie Zeit zu finanzieren. All das ist weggefallen und wird auch nachträglich nicht erwirtschaftet werden können.

Werden alle Klubs diese Krise überleben?

Evers: Das kann ich heute nicht seriös beantworten. Wir werden aber alles dafür tun. Dafür steht insbesondere auch die Solidargemeinschaft der Volleyball Bundesliga. Wir sind alle gut beraten, jetzt besonnen und überlegt vorzugehen. Entscheidend wird aus meiner Sicht die Dauer der aktuellen Einschränkungen im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben sein. Das bestimmt zum einen, wie stark die Krise unseren Wirtschaftspartnern zusetzt und in welchem Umfang diese in der Lage sein werden, ihr Sportsponsoring aufrecht zu erhalten. Darüber hinaus stellt sich natürlich die Frage, ob zum geplanten Saisonstart der 2. Bundesliga Mitte September und der 1. Bundesliga Anfang Oktober wieder Spiele vor Zuschauern möglich sein werden.

Reichen die staatlichen Hilfsprogramme aus?

Evers: Die Soforthilfeprogramme mussten natürlich erstmal pauschal auf viele Wirtschaftszweige ausgerichtet werden, um schnell zu greifen. Jetzt muss es darum gehen, branchenspezifische Lösungen zu finden. Der Sport steht vor ganz eigenen Herausforderungen, über die wir mit den Partnern im Sport und der Politik sprechen müssen. Einige Bundesländer haben inzwischen Hilfsprogramme für den Sport aufgelegt, die sich aber vorrangig an den klassischen Breitensportverein richten.

Wir brauchen jetzt spezielle Hilfen für den Profisport in den 1. und 2. Bundesligen in Deutschland, um unsere vielfältige Sportlandschaft zu erhalten, denn die Bundesligavereine sind als Leuchttürme ihrer Sportarten von zentraler Bedeutung für den Amateur- und Nachwuchssport in unserem Land. Sie haben aber auch bedeutende Funktionen als Arbeitgeber und Wirtschaftsunternehmen, sind wichtig für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und fördern das Miteinander – eine Aufgabe, die gerade nach überstandener Corona-Krise weiter an Bedeutung gewinnen wird. Um dieser wichtigen sozialen Aufgabe gerecht werden und das gesellschaftliche Leben nach Corona wieder ankurbeln zu können, wird es direkter Finanzhilfen durch Bund, Länder und Kommunen bedürfen.

Was kann die Volleyball Bundesliga tun, um ihre Vereine zu unterstützen?

Evers: Die VBL ist aus eigenen Mitteln nicht in der Lage, einen Solidarfond aufzulegen oder Zuschüsse an ihre 75 Mitgliedsvereine zu zahlen. Wir haben aber schnell reagiert und unseren Vereinen aus den nicht-verbrauchten Schiedsrichtervorauszahlungen und Transfererlösen bis heute über 100.000 Euro an liquiden Mitteln bereitgestellt, um die kommenden Wochen und Monate ohne Spielbetrieb überbrücken zu können.

Wie sieht es mit der Anpassung von Lizenzierungsvoraussetzungen für die kommende Saison aus?

Evers: Zunächst wurden die Fristen für die Lizenzierung verschoben, um den Vereinen Zeit zu verschaffen. Ende April wird die Lage erneut bewertet, um auch das Lizenzierungsverfahren nachjustieren zu können. Derzeit arbeiten wir an einem Maßnahmenkatalog, um unsere Vereine in der kommenden Saison von direkten oder indirekten Kosten zu entlasten. Das vorrangige Ziel bleibt die Wiederaufnahme des Spielbetriebs. Wir stellen derzeit alle Lizenzanforderungen auf den Prüfstand. Die Vereine werden dann Ende April in den Arbeitskreissitzungen über die Vorschläge beraten und entsprechende Beschlüsse fassen.

Können Sie schon konkrete Beispiele nennen?

Evers: Ich möchte unsere Vorschläge zunächst intern diskutieren. Wichtiger als Einzelbeispiele sind mir zunächst die Prinzipien. Wir dürfen nicht mit dem Rasenmäher Ausgaben und Lizenzanforderungen streichen. Schließlich geht es auch darum, die Zukunftsfähigkeit der Volleyball Bundesliga und ihrer Vereine zu erhalten. Wenn weiter Erlöse aus Medienrechten und Sponsoring erzielt werden sollen, braucht es dafür weiterhin ein attraktives Produkt. Es wäre z.B. absolut kontraproduktiv, auf den mobilen fremdlinienfreien Boden zu verzichten. Ich denke, dass es vorrangig darum gehen wird, bereits beschlossene, zusätzliche Anforderungen zunächst auszusetzen.

Inwieweit engagiert sich die Volleyball Bundesliga auch dabei, externe Unterstützung zu organisieren?

Evers: In der Initiative Teamsport Deutschland sind die deutschen Mannschaftssportverbände organisiert. Hier ist auch der Volleyball über den Deutschen Volleyball-Verband vertreten. In diesem Kreis wurde ein gemeinsamer Maßnahmenkatalog erarbeitet, der allen Vereinen zum einen eine mittelfristige finanzielle Entlastung ermöglichen soll. Das reicht von der Rückerstattung der Mieten für Sportstätten in öffentlicher Trägerschaft über Steuererleichterungen für Sponsoren im Bereich Hospitality bis hin zu attraktiveren Bedingungen für KfW-Darlehen. Wichtig ist auch dass wir mit der Verwaltungsberufsgenossenschaft eine Einigung erzielen, die Zahlungen auszusetzen und die beschlossenen Erhöhungen rückgängig gemacht werden. Diese Abgabenlast erdrückt unsere Bundesligisten.

Zum anderen sollen aber auch die Sportler durch diese schwierige Zeit begleitet werden, dass sie nach Beendigung der Krise wieder arbeitsfähig sind – also körperlich fit.

In Anlehnung an den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) fordert Teamsport Deutschland eine Ausweitung der Rettungsmaßnahmen des Bundes auf Sportdeutschland sowie die Einrichtung eines Notfallfonds für den Sport.

Welche Risiken bestehen für die VBL selbst?

Evers: Ohne Klubs, keine Liga - so einfach ist die Formel. Die VBL finanziert sich in großen Teilen durch Lizenzgebühren, Sponsoring und Medienrechteerlöse – da besteht natürlich ein Risiko.

Wir sitzen mit unseren Vereinen in einem Boot und richten daher alle Anstrengungen darauf aus, gemeinsam gut durch die Krise zu kommen. Teile des Teams im VBL-Center sind bereits in Kurzarbeit, zudem versuchen wir, an allen Ecken und Enden Kosten einzusparen, laufende Stellenbesetzungsverfahren wurden ausgesetzt. Trotz der Corona-Krise arbeiten wir mit Hochdruck daran, einen Ligasponsor zu finden – das würde die Lage definitiv entspannen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Evers: Vor allem hoffe ich, dass alle gesund bleiben und wir die Pandemie weltweit in den Griff bekommen. Denn in der Bundesliga haben wir auch viele ausländische Spielerinnen und Spieler, die mit ihren Familien derzeit in den Krisenherden rund um den Globus leben. Außerdem glaube ich fest daran, dass wir bei allen aktuellen Problemen auch eine Chance haben, aus der Krise gestärkt herauszukommen. Ich appelliere daher an alle, jetzt die Geduld zu behalten, die Solidarität im Sport und unserer Ligengemeinschaft aktiv zu leben und nicht angstgetrieben zu agieren.

veröffentlicht am Dienstag, 7. April 2020 um 13:33; erstellt von Kunze, Fabian