Evers: „Die Wildcard ist eine echte Alternative“

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In den Spielhallen der 1. und 2. Ligen herrscht derzeit Ruhe. Denn nach den Entscheidungen in der Meisterschaft sind es in erster Linie sportpolitische Themen, die aktuell in der Volleyball Bundesliga (VBL) auf der Tagesordnung stehen. Fragen zur wirtschaftlichen Lizenzierung, Änderungen im Lizenzstatut und natürlich die Weiterentwicklung des Masterplans - das sind Dinge, über die sich Vereins- und VBL-Funktionäre den Kopf zerbrechen. Bei den Volleyball-Fans wird derzeit eine andere Thematik besonders heiß diskutiert: die Wildcard. Michael Evers, der Präsident der Volleyball Bundesliga, steht im Interview Rede und Antwort zu diesem Thema.

VBL-Präsident Michael Evers äußerst sich zum Thema Wildcard (Foto: Photo Wende) VBL-Präsident Michael Evers äußerst sich zum Thema Wildcard (Foto: Photo Wende)

Herr Evers, in der Saison 2017/18 wird erstmals ein Team mit einer Wildcard in der 1. Bundesliga der Männer an den Start gehen. Wie kam es dazu?

Michael Evers: Die Idee der Wildcard wurde im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht. Es gab mehrmals die Situation, dass Startplätze in den 1. und 2. Ligen nicht genutzt wurden. Deshalb wollten wir eine Möglichkeit schaffen, freie Plätze mit konkurrenzfähigen Teams zu besetzen und gleichzeitig eine Maßnahme entwickeln, neue Standorte zu erschließen. Unterm Strich ist das Ziel der Wildcard, die 1. und 2. Ligen zu stärken. Denn dadurch sind wir in der Lage, die sportliche Attraktivität zu steigern.

Es gibt zu diesem Thema durchaus kritische Stimmen – es wird beanstandet, dass die sportliche Entwicklung bei den Antragstellern einer Wildcard auf der Strecke bleiben könnte.

Evers: Bedenken sind oft gut und wichtig. Ich nehme solche Sorgen sehr ernst. Deshalb schauen wir bei der Wildcard-Vergabe sehr genau hin. Das sportliche Konzept spielt bei der Beantragung der Wildcard eine große Rolle. Auch die finanziellen Aufwände, die geleistet werden müssen, sind nicht unerheblich. Die Gebühr für die Wildcard beträgt immerhin 50.000 Euro. Dazu müssen die Lizenzvoraussetzungen der Stufe 4 erfüllt sein. Solche Anforderungen werden ansonsten an Teams gestellt, die im achten Jahr erstklassig spielen. Das heißt, ohne das nötige Fundament wäre ein Wildcard-Antrag sinnlos und würde vom VBL-Vorstand abgelehnt. Die Kritik ist also unberechtigt.

Glauben Sie denn nicht, dass zukünftig mehr Teams in die 1. Ligen aufsteigen wollen?

Evers: Das hoffe ich natürlich. Aber die sportliche Qualifikation reicht nicht aus, wenn die wirtschaftlichen Grundlagen fehlen. Was nützt uns also ein Team, das aufsteigen möchte, aber nicht in der Lage ist, finanziell zu überleben? Deshalb ist die Wildcard eine echte Alternative. Außerdem sollten wir auch bedenken, dass wir damit Möglichkeiten für neue Teams schaffen. Wenn heute ein unterklassiger Verein mit dem Ziel an den Start geht, es irgendwann einmal ins Volleyball-Oberhaus zu schaffen, dann schrecken die vielen Jahre, die dafür benötigt werden, vielleicht auch ab. Die Perspektiven einer Wildcard sind interessant - und zwar für Sponsoren, Fans und die Aktiven.

Der Wildcard-Antrag vom TSV Unterhaching ist der erste, der angenommen wurde. Welche Kriterien waren dafür ausschlaggebend, dass das Team in der nächsten Saison in der 1. Volleyball Bundesliga der Männer an den Start gehen kann?

Evers: Ich freue mich sehr darauf, Unterhaching wieder in der 1. Volleyball Bundesliga zu sehen. Die Unterhachinger, die schon viermal den DVV-Pokal gewonnen haben und in der Champions League spielten, hatten sich im Jahr 2014 aus der Bundesliga zurückgezogen und kooperieren zukünftig mit dem HYPO TIROL Volleyballteam aus Innsbruck. Dort hatte man sich zuvor nach zwanzig erfolgreichen Jahren entschieden, nicht mehr in Österreichs höchster Spielklasse an den Start zu gehen. Insofern tun sich zwei Volleyball-Standorte mit sehr viel Know-how, Erfahrung und einer großartigen Nachwuchsarbeit zusammen. Alle haben etwas davon: In Unterhaching gibt es für aufstrebende Spieler wieder Perspektiven im Spitzensport, die Fans der Innsbrucker Volleyballer bekommen auch zukünftig großartigen Sport zu sehen und die Volleyball Bundesliga darf sich auf ein Team freuen, das durchaus das Potenzial hat, oben in der Liga mitzuspielen – was den sportlichen Anreiz natürlich deutlich steigert. Das haben uns übrigens die Verantwortlichen der anderen Männer-Bundesligisten bestätigt. Der VBL-Vorstand hatte die Männerteams aus der 1. Liga bei der Entscheidungsfindung zur Wildcard-Vergabe mit eingebunden.

Das neue Erstliga-Team wird unter dem Namen HYPO TIROL Alpenvolleys Haching an den Start gehen. Die Heimspiele werden im österreichischen Innsbruck und in Unterhaching ausgetragen. Wäre damit ein Weg für Teams aus dem Ausland frei, in der Volleyball Bundesliga zu spielen?

Evers: Nein, das ist nicht so. Zunächst einmal möchte ich betonen, dass mit Unterhaching ein deutscher Verein den Antrag auf die Wildcard gestellt hat und dieses Team auch Spiele außerhalb Deutschlands bestreiten wird. Hierzu haben der DVV (Deutscher Volleyball-Verband) und der ÖVV (Österreichischer Volleyball Verband) ihr Einverständnis erklärt. Außerdem ist die Wildcard-Vergabe eine Einzelfallentscheidung, das haben wir immer wieder betont. Das heißt, es lassen sich keine weiteren Rückschlüsse daraus ziehen. Es kommt darauf an, die entsprechenden Lizenz-, Standort- und Spielhallen-Kriterien so umfangreich wie möglich zu erfüllen und für ein gutes sportliches Konzept zu stehen. Außerdem geht es um wirtschaftliche Aspekte. Da ist es zum Beispiel nur logisch, dass die Alpenvolleys auch Spiele in Innsbruck austragen möchten. Denn ein Großteil der Unterstützer des Teams kommt aus Österreich.

veröffentlicht am Freitag, 2. Juni 2017 um 12:21; erstellt von Bleydorn, Frank
letzte Änderung: 02.06.17 12:01