Die Geschichte der Skurios Volleys Borken ist eine Geschichte über Mut, Zweifel, Zusammenhalt – und über ein Etikett, das der Verein im Stillen mit sich trug: die „Unaufsteigbaren“. Wer von außen auf Platzierungen und Titel blickte, fragte sich längst, warum dieses Team nie den Schritt in die höchste Spielklasse wagte. Meisterschaften waren da, das Talent ebenso. Doch der Aufstieg blieb aus – aus Vernunft, aus Vorsicht, aus Verantwortung. So wuchs über die Jahre ein Bild, das dem Verein selbst nie ganz gerecht wurde und das dieser nun hinter sich lässt. Die Skurios Volleys Borken steigen in die 1. Bundesliga Frauen auf – mit Herz, Teamgeist und zwei besonderen Frauen im Fokus.
Reßmann: „Die Mannschaft hat uns dazu gezwungen“
Diesmal ist alles anders. „Die Mannschaft hat uns sportlich dazu gezwungen“, sagt Teammanager Manuel Reßmann schulterzuckend und lächelt. „Es tut mir ja sonst auch wahnsinnig weh, wenn ich dem Team nach einem Titel sagen muss, dass man leider nicht aufsteigt. Diesmal brauchen wir das nicht.“ Der Schritt in die 1. Bundesliga zur Saison 2025/26 ist kein bloßes Vorrücken in eine andere Liga – es ist die Erfüllung eines Versprechens. „Wir wollten nie Luftschlösser bauen“, erklärt Michael Demming, 2. Vorsitzender des Stammvereins RSV Borken und Vorsitzender der Skurios Volleys. „Entweder wir machen das als Team – oder gar nicht.“

Sportlich können die Skurios Volleys Borken selbstbewusst auftreten.
(Foto: Thomas Hacker)
Das Team sind nicht nur fünf „Verrückte“ im Management-Team: Neben Reßmann und Demming zählen dazu auch Pressechef Thomas Hacker, der sich nebenbei um Spielerinnenakquise und Sponsorenbetreuung kümmert, sowie Finanzexpertin, Spieltagsorganisatorin und Mannschaftsbetreuerin Kati Wilger. Tina Feldhaus ist verantwortlich für die Team-Ausstattung, unterstützt bei der Mannschaftsbetreuung und übernimmt zusätzlich die komplette Ablauforganisation rund um die Auswärtsspiele. In Borken herrscht ein besonderer Geist des Miteinanders und des gegenseitigen Respekts, der durch jede Anekdote schimmert. Ein Verein wie ein technisches Kunstwerk – in dem viele kleine Zahnräder arbeiten, die ineinandergreifen. Ehrenamtliche, Spielerinnen, Vorstand, Fans – sie alle tragen diesen Aufstieg. „Wir haben mit allen gesprochen“, sagt Reßmann. „Denn wenn ein Zahnrad fehlt, funktioniert das Ganze nicht.“

Michael Demming (li.), Vorsitzender der Skurios Volleys Borken, und Teammanager Manuel Reßmann (re.) stehen hinter dem Aufstieg.
(Foto: Foto Cassee)
Auch bei der Volleyball Bundesliga ist man froh über diesen Schritt: „Wir haben in den letzten Jahren viele Gespräche mit Borken geführt und versucht, herauszufinden, was es für den Aufstieg braucht. Der Paketaufstieg jetzt war der letzte Anreiz. Wir glauben fest an den Standort Borken“, sagt VBL-Geschäftsführerin Julia Retzlaff.
Charakter des Teams erhalten: „Keine Siege kaufen“
Fabienne Coenders ist Kapitänin und seit sieben Jahren das emotionale Rückgrat des Teams. Sie hatte es in der Vergangenheit oft gehört: Vielleicht steigen wir auf. Und jedes Mal verflüchtigte sich die Hoffnung in organisatorischen Zwängen oder weil der Rahmen nicht passte. „Als ich es diese Saison um Weihnachten herum gehört habe, habe ich mir gedacht: Ja, lass die mal reden.“ Aber dann, irgendwann im Februar, kam etwas in Bewegung. Gespräche begannen, als feststand, dass die Mannschaft sich erneut sportlich für den Aufstieg empfiehlt – damals als amtierender Herbstmeister, heute bereits als Titelträger. Die Spekulationen wurden konkreter. Und schließlich war da dieses Gefühl: Diesmal ist es anders. Für Manuel Reßmann und seine Mitstreiter war immer klar: „Wenn wir hochgehen, dann nur, wenn wir auch auf Schlagdistanz zu den Besten sind – sportlich, strukturell und wirtschaftlich.“ Und da kam das Angebot der Volleyball Bundesliga mit angepassten Rahmenbedingungen, zwei Jahre Nicht-Abstieg und zwei weiteren Teams, die den Weg mitgehen.

Kapitänin Fabienne Coenders ist auch die emotionale Leaderin des Teams.
(Foto: Thomas Hacker)
Danuta Brinkmann, Trainerin, Mentorin und zusammen mit Coenders Motor des sportlichen Erfolgs war die Erste, die eingeweiht wurde. „Ich habe es in die Mannschaft getragen – und die Resonanz war super.“ Der sportliche Weg ist klar: Etablieren, lernen, wachsen – mit der typischen Borkener Mischung aus Herz und Pragmatismus. „Wenn wir aufsteigen, wollen wir nicht nur mitspielen. Wir wollen eine Rolle spielen“, betont Brinkmann. Coenders ergänzt: „Natürlich ist das eine Veränderung. Erste Liga ist nicht mehr nur Hobby. Aber wir gehen diesen Schritt bewusst und gemeinsam.“
Das Team bleibt in weiten Teilen bestehen. Verstärkungen sind geplant, aber nicht auf Kosten des Charakters. „Wir kaufen uns keine Siege, wir entwickeln Spielerinnen“, so Brinkmann. Der Spagat zwischen Beruf, Training und Leistungssport bleibt vorerst erhalten – die Trainingszeiten werden angepasst, die Belastung gesteuert. „Die Intensität wird höher und natürlich hoffe ich auch, dass wir von den anderen lernen können, was deren Training betrifft. Wie machen die das, wie bauen die sich auf“, sagt Coenders.

Trainerin Danuta Brinkmann ist ein wichtiger Motor des sportlichen Erfolgs.
(Foto: Thomas Hacker)
Ein Dreamteam – aber keine Selbstverständlichkeit
Was Coenders und Brinkmann verbindet, ist schwer in Worte zu fassen. Trainerin Brinkmann kam Anfang der letzten Saison, als der langjährige Trainer Chang Cheng Liu den Verein verließ. „Ich habe eine Mannschaft übernommen, die die Saison zuvor nicht so gut abgeschnitten hatte und es war mein Ziel, diese Mannschaft in die Spur und auf Niveau zu bringen. Dass es jetzt so gut funktioniert, damit habe ich auch nicht gerechnet.“ Fabienne Coenders war zu diesem Zeitpunkt bereits eine feste Größe. Die Niederländerin war Jahre zuvor von den BayerVolleys Leverkusen nach Borken gekommen und geblieben. „Es war natürlich schwierig, wenn so ein Trainer wie Chang weggeht. Da waren die Mannschaft und der Verein in einer turbulenten Phase. Und am Anfang haben wir alle unsere Zeit gebraucht, um uns zu finden. Wie ist die Philosophie, was ist neu, wie stellt sie sich das vor? Und das war am Anfang schwierig.“
Was half, war offene Kommunikation. Schnell sah Brinkmann in Coenders ihre Ansprechpartnerin, ihr Bindeglied zur Mannschaft. „Manche fanden, dass manche Aussagen ziemlich hart sind“, erinnert sich die 61-Jährige. „Auch wenn das oft nicht einfach war. Wir konnten alles, was nicht gut lief, deutlich ansprechen. Und das hat geholfen“, fügt Coenders hinzu. Brinkmann ist es wichtig, nah bei den Spielerinnen zu sein. „Vielleicht klappt das deswegen so gut. Wenn sich die Mannschaft auf mich verlassen kann, kann ich mich auch auf sie verlassen und andersrum.“ Dabei ist dies keine Sache zwischen zwei Frauen, sondern eine Philosophie, die jeder im Verein trägt. „Gegenseitiges Vertrauen muss man aufbauen, im Guten wie im Schlechten“, sagt zum Beispiel Michael Demming. „Wichtig ist ja auch, dass Unterschiede zwischen Menschen zugelassen werden, denn die bringen alle voran. Reibung erzeugt ja auch Wärme, sagt man.“

Der enge und offene Austausch von Trainerin Brinkmann und Kapitänin Coenders ist zentral für die Chemie im Team.
(Foto: Thomas Hacker)
Coenders, die Soziologie studiert hat, ist bei diesem Thema voll in ihrem Element: „Jeder kommt mit bestimmten Eigenschaften besser klar. Es sind junge und ältere Spielerinnen hier und man muss zu jeder einen Zugang finden. Das ist eine Herausforderung.“ Auch hier springt Brinkmann ihr bei: „Du musst jede einzelne sehen, wie sie ist.“ Und weil Coenders nicht für alle sprechen kann und will, gibt es inzwischen einen Mannschaftsrat: „Dann zählt nicht nur meine Meinung, sondern das Abbild der Mannschaft.“
„Wenn ihr es jetzt nicht macht, seid ihr bescheuert“
Brinkmann und Coenders – eine Trainerin mit jahrelanger Erfahrung und eine Niederländerin, die sich in Borken zu Hause fühlt. Zwei Frauen, die Volleyball mit dem Herzen sehen, leben und verstehen, geben den Skurios Volleys ein Gesicht. Daneben – nicht dahinter – steht ein Management-Team, steht ein Verein, der sich als Teil des Ganzen sieht und ebenfalls die offenen Worte zu schätzen weiß. „Fabienne hat durch ihre Erfahrung, ihr Alter und ihre Vereinszugehörigkeit eine natürliche Autorität und wenn etwas nicht passt, können wir davon ausgehen, dass wir das auch gesagt bekommen“, so Demming. Reßmann ergänzt: „Ich kann ja ein Problem nur ändern, wenn ich auch weiß, dass es ein Problem gibt.“

Die Skurios Volleys Borken richten den Blick auf die sportliche Konkurrenzfähigkeit und die Entwicklung der Spielerinnen.
(Foto: Thomas Hacker)
Dass die Entscheidung für die 1. Liga ein Erfolg wird, hängt in Borken nicht nur vom Team auf dem Feld ab. Ehrenamtliche, Vorstand, Management-Team, Sponsoren – sie alle sind Teil des Erfolgs. „Unsere Partner haben gesagt: Wenn ihr es jetzt nicht macht, seid ihr bescheuert“, erzählt Reßmann. Auch finanziell geht der Verein den Aufstieg mit Augenmaß an: Statt einer Etatverdreifachung reichen zunächst 20 bis 30 Prozent Aufschlag. Möglich machen das vor allem stabile Strukturen und eine gewachsene Partnerschaft mit der lokalen Wirtschaft. „Natürlich müssen wir noch viele Gespräche führen, um unser Budget unter Dach und Fach zu bringen“, so Demming. Er ist selbst Geschäftsmann und weiß, dass die wirtschaftliche Situation überall gerade nicht einfach ist.
Der Aufstieg der Skurios Volleys Borken ist kein Zufallsprodukt. Er ist das Resultat aus jahrelanger Arbeit, aus Warten, Zweifeln und dem Mut, zur richtigen Zeit Ja zu sagen. „Ich bin froh, dass ich nicht vorher gesagt habe: Ich bin zu alt“, meint Coenders. Und Brinkmann lächelt: „Ich habe bis 38 in der 1. Bundesliga gespielt – da ist noch Luft für dich.“